Rezension | Die Wut, die bleibt – Mareike Fallwickl
„Die Wut, die bleibt“ ist für mich das Buch der Stunde. Das Buch, von dem ich mir erhoffe, dass nicht nur wir Frauen wissend nicken, sondern dass auch nicht Betroffene zu diesem Buch greifen und die darin abgebildete Realität verstehen und anerkennen. Denn das, was Mareike Fallwickl in „Die Wut, die bleibt“ verarbeitet, ist nicht nur eine fiktionale Geschichte, sondern stellt vielmehr die Probleme unserer Zeit heraus. Sei es Helene, die nur noch den Suizid als Ausweg aus ihrer Situation sieht oder Sarah, die den Kindern ihrer besten Freundin eine Stütze sein möchte oder eben Lola – 15 Jahre alt und schon von den patriarchalen Strukturen gefesselt. All diese Frauen, die unabhängig und doch gemeinsam gegen das System kämpfen.
Die Wut die bleibt
von Mareike Fallwickl
erschienen bei Rowohlt
Hardcover (22€) | E-Book(15,99€)
384 Seiten
Aber „Die Wut, die bleibt“ zeigt nicht nur die Fehler des Patriarchats auf, sondern zeigt mit den handelnden Figuren, dass es Wege gibt, die Fesseln zu sprängen, dass das Alter egal ist. Der Schmerz und die Wut sitzen tief genug, dass ein Umdenken für alle möglich ist – auch, wenn der Prozess unterschiedlich lange dauert. Denn je länger die Frauen im patriarchalen System feststecken, desto länger kann das Umdenken; das Merken dauern, dass hier etwas gewaltig schiefläuft. Und Auslöser für all diese inneren (und auch äußeren) Konflikte ist der Suizid einer Mutter, die das System von innen heraus ausgehöhlt hat – der Knotenpunkt der gesamten Handlung.
Mit mir persönlich hat „Die Wut, die bleibt“ etwas gemacht – mehr als einmal hatte ich Tränen in den Augen oder habe wissend genickt, denn viele Sätze von Fallwickl gehen direkt unter die Haut:
„Sie kleidet sich anders jetzt, in einer bunten Strumpfhose hat Lola sie nicht mehr gesehen. […] Sunny hat außerdem die Kettchen abgelegt, die Ohrringe mit Kirschen, Sternen und Neonkugeln, die Armbänder aus grell gefärbtem Plastik.“
S. 108
Oder auch:
„Keiner von uns ist es angeboren, es gibt kein Geheimnis Wissen, das uns zu Müttern macht, keinen Genvorteil. Aber jeder erwartet von uns, dass wir ab der Sekunde der Geburt nie einen Fehler im Umgang mit einem Kind machen, weil wir angeblich einen Instinkt dafür haben.“ (S. 101f)
Wer die ersten beiden Romane von Mareike Fallwickl mochte, dem wird auch „Die Wut, die bleibt“ gefallen – ein außergewöhnlich intensiver Roman, der aktueller nicht sein könnte.