Belletristik,  Rezension

Die Harpyie – Megan Hunter

Frischerschienen: „Die Harpyie“ von Megan Hunter – anfangs fesselnd und gut konstruiert, doch hinten raus hat es für mich etwas an Raffinesse verloren. Woran das lag – erfahrt ihr in den folgenden Zeilen.


Die Harpyie
von Megan Hunter
aus dem Englischen von Ebba D. Drolshagen
erschienen C.H. Beck Verlag
Hardcover (22€) | E-Book (16,99€)
229 Seiten


Der Inhalt

Lucy und Jake Stevenson leben mit ihren beiden Söhnen am Rande einer wohlhabenden Kleinstadt in England. Während Jake täglich zur Universität pendelt, arbeitet Lucy von zu Hause aus und kümmert sich um die Kinder. Doch eines Nachmittags zerstört ein Anruf die Familienidylle: Jemand möchte Lucy wissen lassen, dass Jake eine Affäre mit einer Arbeitskollegin hat. Das Paar beschließt zusammenzubleiben, trifft aber eine Vereinbarung als Ausgleich für den Verrat: Lucy wird sich drei Mal an Jake rächen – und er weiß nicht, wann und auf welche Weise. Während die beiden sich auf ein subtiles Spiel um Verbrechen und Strafe einlassen, beginnen sich Lucys Körper und Geist allmählich zu verändern, die Grenzen zwischen Wahn und Wirklichkeit verschwimmen – eine Verwandlung, die sich nicht mehr aufhalten lässt …


Im Ansatz gut

Lucy und Jake führen ein Leben, wie es wohl in vielen Haushalten üblich ist. Der Mann arbeitet Vollzeit, die Frau erzieht die Kinder und arbeitet nebenher. Doch was passiert, wenn dieses Konstrukt ins Wanken gerät, wenn einer der Partner*innen aus seiner üblichen Rolle ausbricht und jede*r davon weiß, nur die betroffene Person nicht? Lucy erhält eines Tages einen Anruf, der nachhaltig ihr Leben verändern wird – Jake betrügt sie mit einer Arbeitskollegin.
Der Kinder oder besser der Gesellschaft wegen versuchen Lucy und Jake zusammen zu bleiben. Die Bedingung: Lucy darf ihm dreimal Schmerzen zufügen. Die Art und Weise spielt dabei keine Rolle und während Lucy sich immer weiter hineinsteigert, scheint sie sich in ihrem Inneren zu Wandeln – ein Prozess, der nicht aufzuhalten ist.

Sprachlich ist „Die Harpyie“ wie ein Fausthieb – die Sätze scheinen im richtigen Moment auf den Punkt zu sein. Als Leser*in werden wir regelrecht in die Handlung und damit in die Abwärtsspirale hineingezogen. Dabei trifft sie Aussagen, die die gesellschaftlichen Konventionen kaum besser zusammenfassen könnten:

[…] wie viel einfacher es für den Ehemann war – für den die Familie das Zweitwichtigste sein konnte, ohne dafür Entschuldigungen oder Ausreden finden zu müssen.

S. 172f

Aber auch die Rolle der Frau in der Gesellschaft durchleuchtet sie: Nicht zu viele Jungen/Männer auf einmal küssen, sonst wird man als Schlampe bezeichnet. Blicke, denen Frauen immer wieder auf der Straße ausgesetzt sind. Partys niemals alleine verlassen, da die Gefahr einer Vergewaltigung steigen kann und die Frage, wenn es zur Vergewaltigung kam, wessen Schuld es war:

Morgens wachte ich auf, in mir tat alles weh. Kein Portemonnaie, kein Handy. Nichts mehr außer blauen Flecken, mein Körper schien nur noch aus Säure zu bestehen. Ein Blackout. Ich stellte fest, dass dieses Dunkel voller Löcher war, winzige Erinnerungssplitter quollen hervor, einer nach dem anderen. […] Meine Schuld.

S. 206

„Die Harpyie“ zeigt, was gesamtgesellschaftlich passiert. Der Mann – im Falle des Buches der Ehebrecher – lebt weiter als wäre nie etwas gewesen. Wohingegen die Frau die gesellschaftlich Geächtete ist, die die ihr Leben, ihre Entscheidungen hinterfragt. Zeitlich betrachtet, vielleicht nahe an der Realität, doch sollten wir nicht viel weiter sein? Sollten Bücher – besonders solche, die feministische Züge aufweisen – einen anderen Weg zeigen, abseits von Ehe und Familie? Besonders dann, wenn die Frau betrogen wurde? Nicht mehr nur Hausfrau und Mutter, sondern dem Ganzen entfliehen?
Megan Hunter hat mich anfangs mit ihrem Buch komplett in ihren Bann gefangen genommen, doch die letzten Seiten haben es für mich etwas kaputt gemacht. Spannend und intensiv geschrieben und der Blick in Lucys Psyche waren äußerst fesselnd, doch zum Schluss wurde es mir schlicht zu überdreht.
Ja, das Ende ist nachvollziehbar und vielleicht auch erwartbar – 2021 würde ich mir allerdings mehr starke Frauen wünschen, die aus den Fesseln ihres Lebens ausbrechen und neue Wege gehen.
Vielleicht habe ich die Aussage am Schluss nicht verstanden, vielleicht hat es mir auch einfach nicht gefallen. So ist es manchmal mit dem Lesen – nicht alles, kann jedem*r gleichermaßen gut gefallen.

Eure Isa.

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