Lesemonat – JANUAR
Die Rückblicke des Lesemonats bietet mir immer wieder die Chance, euch an den gelesenen Büchern teilhaben zu lassen – immerhin rezensiere ich auch nicht jedes Buch, das ich gelesen habe. Leider habe ich die Rubrik in den letzten Monaten etwas vernachlässigt. Doch im neuen Jahr möchte ich diese Beitragsreihe wieder mit Leben füllen und euch an meinem Lesemonat teilhaben lassen.
Im Januar habe ich insgesamt fünf Bücher (1992 Seiten) gelesen. Wie ich finde, ein guter Start ins neue Lesejahr 2021 – zumal ich jetzt schon sagen kann, dass mindestens ein Jahreshighlight dabei war.
Welches das ist?
Das erfahrt ihr in den folgenden Zeilen:
Ein wenig Leben – Hanya Yanagihara
Ich bleibe hier – Marco Balzano
Wir haben Raketen geangelt – Karen Köhler
Aufzeichnungen eines Serienmörders – Kim Young-ha
Hard Land – Benedict Wells
Ein wenig Leben“ von Hanya Yanagihara durfte letztens Jahr anlässlich des #dickebüchercamps bei mir einziehen. Rückblickend muss ich mir allerdings eingestehen, dass ich damals für die Geschichte nicht bereit war – ich habe bereits vorab von einigen gehört, dass „Ein wenig Leben“ extrem emotional, auf gewisse Weise auch verstörend und das Lesen nicht unbedingt immer einfach ist.
Anfang Januar wollte ich es dann aber endlich wissen: Es muss doch einen Grund geben, warum es so viele als eines ihrer Lieblingsbücher bezeichnen. Und ich fand den Grund!
„Ein wenig Leben“ ist so detailverliebt und intensiv geschrieben, dass man als Leser*in gar nicht mehr aufhören kann/möchte. Ja, die Handlung ist emotional belastend (TW: sexuelle Gewalt, Misshandlung, sexueller Missbrauch, suizidale Gedanken), aber gleichzeitig gibt die Autorin auch Hoffnung. Über 960 Seiten nimmt sie uns mit in die Welt vierer Freunde, die immer wieder in die düstere Welt Judes gezogen werden und wir als Leser*in gleich mit. Und doch gibt es kleine Momente, die einem zum Lachen bringen.
Ein konsequenter Plot- und Figurenaufbau, der auf den 960 Seiten keineswegs an Raffinesse verliert.
Für mich persönlich ein Jahreshighlight, dass ich irgendwann noch einmal lesen möchte, damit mir auch Details auffallen, die mir entgangen sind. Sehr lesenswert!
In „Ich bleibe hier“ versucht Marco Balzano die Geschichte Südtirols zwischen den Fängen des Nationalsozialismus und den italienischen Faschisten aufzuarbeiten. Welche Auswirkungen die Auseinandersetzung mit der eigenen Identität und dem Machtkampf zweier politischer Systeme wird noch heute am Reschensee in Südtirol deutlich. Mehr als ein Kirchturm, der aus dem See herausblickt, ist von dem damaligen Dorf (Graun) nicht mehr übrig. Die Geschichte dieses Dorfes und der Menschen versucht Balzano exemplarisch an der Familie von Trina und Ernst aufzubereiten.
Anfänglich gefiel mir das Buch wirklich gut – ich wurde regelrecht in die Handlung hineingezogen und wollte das Buch nicht mehr beiseite legen. Allerdings kam dann für mich der erste Dämpfer, als das N-Wort benutzt wurde, um eine Personengruppe zu diffamieren. In 2021 sollte es wohl möglich sein, dass man Personengruppen beschreibt, ohne auf ein verletzendes Wort zurückgreifen zu müssen (auch wenn das Buch in den 1940 spielt). Hinsichtlich der geschichtlichen Relevanz hat mir „Ich bleibe hier“ ausgesprochen gut gefallen, allerdings hat es nach dem 1/3 für mich etwas an Fahrt verloren, sodass es zwar ein gutes Buch ist, aber mich – abgesehen vom geschichtlichen Aspekt – langfristig wohl eher nicht beschäftigen wird.
Erzählbände bekommen meiner Meinung nach viel zu selten die Aufmerksamkeit, die sie verdienen. So auch „Wir haben Raketen geangelt“ von Karen Köhler. In ihren Essays kreiert Köhler verschiedene Frauenfiguren, die ganz unterschiedliche Hürden des Lebens meistern müssen. Tod, Trauer, Angst, Krankheiten spielen hierbei immer eine zentrale Rolle und obwohl dies zunächst sehr bedrückend wirkt, schwingt auch immer eine Art Hoffnung mit, denn jede Frau findet ihren eigenen Weg aus ihrer misslichen Lage.
Aber nicht nur Köhlers Figurenkonstellationen und die einzelnen Plots können überzeugend, sondern auch ihr Sprachstil. Ihr gelingt es, uns als Leser*innen unvermittelt in die Handlung hineinzuziehen und die Spannung über die Seiten hinweg aufrecht zu erhalten.
Ein gelungener Erzählband, den ich euch gerne ans Herz legen möchte.
Was passiert, wenn ein ehemaliger Serienmörder dement wird und seine eigenen Morde vergisst. Dieser Frage geht „Aufzeichnungen eines Serienmörders“ von Kim Young-ha nach.
Das Buch entspricht den einzelnen Aufzeichnungen des Mörders, wodurch wir tief in sein Innerstes – seine Gedanken und Gefühle – blicken können und gleichzeitig ein Gespür für dessen sein bekommen. Dabei nimmt die Handlung auf 152 Seiten Wendungen, die ich als Leserin vorab so nicht erwartet hätte. Wenn ich ehrlich bin, bin ich immer noch ein wenig verwirrt und frag mich, was jetzt real war und was nicht.
Sehr lesenswert!
Zu „Hard Land“ von Benedict Wells würde ich euch wirklich gerne etwas erzählen, aber da das Buch erst am 24.02.2021 erschienen wird, muss ich da stillschweigen bewahren. Am Erscheinungstag wird dazu allerdings eine Rezension online gehen – also schaut gerne mal vorbei.
Ein bunter Monat, der mich auf seine ganz eigene Weise eingenommen hat. Es gab sowohl Bücher, die mich langfristig begleiten werden und leider auch solche, die ich ganz in Ordnung fand. Trotzdem empfinde ich es als einen sehr guten Start ins neue Lesejahr und freue mich schon sehr, welche Bücher mich in den nächsten Monaten überraschen werden.
Eure Isa.
One Comment
Jana
Auf die “Aufzeichnungen eines Serienmörders” bin ich auch vor einiger Zeit aufmerksam geworden – der Klappentext las sich einfach zu ungewöhnlich. Ich habe gesehen, dass es nur ein sehr schmaler Band ist, aber nach deiner Empfehlung ist mein Interesse geweckt. Schön, dass zur Zeit verstärkt Bücher aus Südkorea verlegt werden. Ich finde es immer weider spannend zu sehen, ob es und wenn ja welche Parallelen es zum Leben in Deutschland gibt. (Auch, wenn dieses Buch über den dementen Sedrienmörder vielleicht etwas aus dem Raster fällt 😉 )
Viele Grüße
Jana