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Jahreshighlights 2021 – meine Leseperlen des Jahres

Es fühlt sich zwar nicht so an, aber das Jahr 2021 ist schon wieder vorüber. Der richtige Zeitpunkt, um mein (Lese-)Jahr Revue passieren zu lassen. Obwohl ich dieses Jahr in der Gesamtzahl weniger Bücher gelesen habe als im vorherigen, sind doch einige Perlen dabei, die ich nicht mehr missen möchte. Aus insgesamt 46 gelesenen Büchern haben es sechs Bücher auf meine Liste der Jahreshighlights 2021 geschafft:


Ein wenig Leben – Hanya Yanagihara
Kazimira – Svenja Leiber
Im Wasser sind wir schwerelos – Tomasz Jedrowski
Die Anomalie – Hervé Le Tellier
Drei Kameradinnen – Shida Bazyar
Nie, Nie, Nie – Linn Strømsborg


Ein wenig Leben von Hanya Yanagihara
In „Ein wenig Leben“ begleiten wir die vier Freunde JB, Malcom, Willem und Jude. Vier Menschen, die kaum unterschiedlicher sein können, aber durch ihre langjährige Freundschaft so eng miteinander verbunden sind. Wir als Leser*innen erleben dabei jedoch nicht nur die freudigen Zeiten der Freundschaft, sondern bekommen von der Autorin vor Augen geführt, welche Auswirkungen sexuelle Gewalt und Misshandlungen auf das gesamte Leben einer betroffenen Person haben kann – welche Probleme, Selbstzweifel, ja sogar Selbstzerstörungstriebe damit einhergehen. Und indem wir hautnah dabei sind, erleben wir so viele unterschiedliche Emotionen, die ich so nicht für möglich gehalten hätte. Ich habe mich selten so überfordert und hilflos gefühlt, wie beim Lesen von „Ein wenig Leben“. 
Einerseits möchte ich sagen, dass ihr es unbedingt lesen sollt, wenn ihr es bisher noch nicht getan habt. Aber andererseits schreit alles in mir, euch zu warnen. Ja es ist keine leichte Kost und wir werden als Leser*in häufig die Grenze des Ertragbaren erreichen, doch gleichzeitig schafft die Autorin eine Tiefe, die die hinzugefügten Verletzungen vergessen und das gute darin sehen lässt. Zu sagen, dass „Ein wenig Leben“ emotional wäre, würde der Vielschichtigkeit des Buches nicht gerecht werden. Vielmehr überzeugt Hanya Yanagihara mit einer Detailverliebtheit, die ich selten bei Büchern gesehen haben. Am liebsten würde ich es sofort noch einmal lesen, um die Vielschichtigkeit besser greifen zu können und auf die einzelnen Details, die einem beim ersten Lesen entgehen, zu achten.
Ein sehr beindruckendes Buch! 

Kazimira von Svenja Leiber
Kazimira, die Hauptfigur des gleichnamigen Romans „Kazimira“ von Svenja Leiber, ist eine beeindruckende Frau, die aus den Rollen der damaligen Zeit – „Kazimira“ spielt zwischen den späten Jahren des 19. Jahrhunderts bis zum Ende des 2. Weltkrieges – unentwegt ausbrechen möchte. Hausfrau und Mutter war nie das, was sie sich für ihr eigenes Leben wünschte. Sie möchte frei sein, im Bernsteinabbau arbeiten, Hosen und kurze Haare tragen, die Liebe auf eine neue Weise entdecken; all das, was den Frauen in der damaligen Zeit nicht erlaubt war. Scheint Kazimira einen Weg für sich gefunden zu haben, bekommt sie immer wieder neue Hürden in den Weg geworfen: Familie, Freundschaft, (verbotene) Liebe, Mutterschaft, Loyalität – Themen, die innerhalb des Romans aufgearbeitet werden.

In „Kazimira“ ist es Svenja Leiber gelungen, einen historischen Kontext (die Annagrube gab es wirklich) aufzuarbeiten und gleichzeitig eine starke Frau zu erschaffen, die die Hürden der damaligen Zeit auf ihre eigene Weise zu lösen versucht. Ein ganz besonderes Buch, dass den eigenen Blickwinkel auf die Welt durchaus verändern kann.

Im Wasser sind wir schwerelos – Tomasz Jedrwoski
„Im Wasser sind wie schwerelos“ von Tomasz Jedrowski nimmt uns mit in das Polen der 80er Jahre. Ludwik, der Erzähler des Romans, steht kurz vor dem Ende seines Studiums. Um seinen Abschluss zu erhalten, muss er jedoch wie so viele andere, einige Wochen bei der Ernte helfen. Der Ort, an dem er Janusz kennenlernen und mit ihm in den Sommer seines Lebens schlittern wird. Scheint ihre Liebe in der Natur auf nährenden Grund zu treffen, greift die Realität nach ihnen, sobald sie in ihrer gewohnten Umgebung ankommen. Und damit beginnen die zentralen Konflikte des Romans: Macht und Kontakte – kaum etwas entscheidet mehr über das Leben im damaligen Polen als diese zwei Aspekte. Die Kluft, die dabei zu Tage tritt, wird vor allem an der Kleidung, den Lebensmitteln und der Berufsperspektiven deutlich. Möchte Ludwik seinem Leben selbst eine Richtung vorgeben und gleichzeitig niemanden etwas schuldig sein, ist Janusz bereit sein Leben diesen Kontakt unterzuordnen. Ein Konflikt, der die junge Liebe auf die Probe stellt. 
»Im Wasser sind wir schwerelos« nimmt uns auf eine gekonnte Art und Weise mit in die Liebesbeziehung zweier Männer, die ihren Platz innerhalb der Gesellschaft suchen. Die Hürden, denen sie als homosexuelles Paar, das seine Zuneigung nicht in der Öffentlichkeit präsentieren kann/darf, sind zum Greifen nahe.

Die Anomalie von Hervé Le Tellier
„Die Anomalie“ war eins dieser Bücher, an denen ich auf #bookstagram nicht vorbeikam. So viele von euch schwärmten davon; so richtig angesprochen hat es mich im ersten Moment allerdings nicht.
Doch ein zweiter Blick lohnt sich: „Die Anomalie“ ist für mich eines der besten Bücher, die ich dieses Jahr für mich entdecken durfte. Ausgeklügelte Charaktere und eine Handlung, die nicht von dieser Welt zu sein scheint. Gleichzeitig gelingt es Hervé Le Tellier, dass ich seinen Gedankengängen und Visionen folge; ja, dass ich sogar intensiv darüber nachdenke. Und wie ausgeklügelt dieses Buch ist, wird einem erst so recht bewusst, wenn man die letzten Seiten gelesen, das Buch zugeklappt und beiseite gelegt hat. „Die Anomalie“ – ein Buch, dass mich so schnell nicht loslassen wird.

Drei Kameradinnen von Shida Bazyar
Drei Freundinnen, die nicht unterschiedlicher sein könnten, aber einen gemeinsamen Nenner aufweisen: Alle drei Frauen weisen einen Migrationshintergrund auf und wuchsen gemeinsam in einer Siedlung auf. Die Erfahrungen, die sie hinsichtlich Ressentiments und Rassismus erleben mussten, könnten allerdings nicht unterschiedlicher sein – und an dieser Stelle setzt „Drei Kameradinnen“ an.
Was macht es mit einem Menschen, wenn er immer wieder Sexismus, Klassismus und Rassismus ausgesetzt wird? Wie lange lässt ein Mensch sich dies gefallen? Und während die unzuverlässige Erzählerin anhand ihrer Freundinnen dieser Frage zu Grunde geht, hält sie uns als Leser*innen immer wieder einen Spiegel vor: Vorurteile, Stereotypen und all dies provoziert sie hervor, sodass mit dem Ende des Romans – ein absolut überraschender Wendepunkt – die Einsicht, das Nachdenken einsetzt.
„Drei Kameradinnen“ von Shida Bazyar war die einzige Lesung, die ich in diesem coronageprägten Jahr besucht habe und rückblickend hätte ich mir wohl kaum ein besseres Buch für die einzige Lesung des Jahres wünschen können. Sehr lesenswert und augenöffnend!

Nie, Nie, Nie von Linn Strømsborg

Ich bin keine Mutter und will auch keine werden. Ich hab mit mir selbst genug zu tun. Vom Tag meiner Geburt bis zum Tag, an dem ich sterbe, werde ich mit mir zusammengelebt haben. Das reicht mir.

S. 19

Was heißt es, wenn man als Frau keine Kinder haben möchte? Wenn man sich den gesellschaftlichen Konventionen entgegenstellt? Wenn es immer wieder Thema wird: Im Job, in der Familie, im Freundeskreis und eben auch in der eigenen Beziehung. Wenn scheinbar jede*r im Umfeld eine Familie gründet und man auf alle alleine oder verlassen scheint, aber eigentlich glücklich ist. Weil es das Leben ist, dass man sich für sich selbst wünscht. Das es eine bewusste Entscheidung und keine flüchtige Idee ist. Und die eigene Mutter noch so viele Kinderkleider stricken kann – die Meinung sich letztendlich aber nicht ändern wird. Dies versucht Linn Strømsborg in ihrem Roman „Nie, Nie, Nie“ darzustellen.
Sind wir mal ehrlich: Niemand sollte ein Kind bekommen, nur weil die Gesellschaft es erwartet. Denn auch dieses Beispiel führt Linn Strømsborg pointiert auf und zeigt uns als Leser*in, wie sehr dies Kinder (auch noch im Erwachsenenalter) verletzen kann. 
Nicht nur die Massage des Buches ist wichtig, sondern auch sprachlich kann „Nie, Nie, Nie“ viel bieten. Beispiel gefällig?

Als ich jünger war, war ich nicht die, die ich jetzt bin, und in zehn Jahren werde ich wieder jemand anders sein.

S. 17

Meine Leseperlen 2021 – sechs Bücher, die ich euch alle gerne ans Herz legen möchte. Sechs Bücher, die mir alle recht nahe gingen und über die ich noch heute (zum Teil mit fast einem Jahr Abstand) nachdenke. Wie es 2022 literarisch weitergehen wird, steht zum Teil bereits fest. Meine Lesepläne für #12für2022 habe ich bereits vor einigen Tagen zusammengestellt(die Liste findet ihr hier).

Ich bin gespannt, welche Herausforderungen, Überraschungen und Ereignisse das neue Jahr mit sich bringen wird. Euch allen wünsche ich einen guten Start ins neue Jahr & bleibt gesund!

Eure Isa.

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