Belletristik,  Rezension

Der Klavierstimmer ihrer Majestät – Daniel Mason

Wäre ich nicht ein Teil der #buchpatenschaft des C. H. Beck Verlages gewesen, wüsste ich nicht, ob ich in der Buchhandlung zu „Der Klavierstimmer ihrer Majestät“ gegriffen hätte. Historische Romane, die in der Kolonialzeit spielen, haben mich bisher nicht sonderlich interessiert – das sollte sich allerdings ändern. Mit „Der Klavierstimmer ihrer Majestät“ hat der C. H. Beck Verlag nach „Wintersoldaten“ nun den zweiten Roman von Daniel Mason übersetzt. Auch bei der Gestaltung der beiden Cover wurde auf eine gewisse Harmonie geachtet, denn nebeneinander betrachtet, wirken sie sehr stimmig – ich mag die Gestaltung sehr.


Allgemeine Infos zum Buch

Titel: Der Klavierstimmer ihrer Majestät*
Autor: Daniel Mason
Übersetzerin: Barbara Heller
Verlag: C. H. Beck
Seiten: 398
Preis: Hardcover (24€), E-Book (17,99€)

Zum Inhalt

London 1887: Die britischen Kolonialherren in Afrika und Asien stehen auf der Höhe ihrer Macht. Doch von den Gewaltverbrechen in der Ferne bekommt der Klavierstimmer Edgar Drake nur wenig mit, er hat Großbritannien noch nie verlassen – bis sein beschauliches Leben plötzlich komplett auf den Kopf gestellt wird: Wieso schickt ihn das britische Kriegsministerium in den umkämpften Dschungel von Birma, um einen Flügel zu reparieren?

Der Flügel gehört dem dort stationierten Militärarzt Anthony Carrol, der das Instrument einsetzt, um über die Kraft der Musik einen friedlichen Dialog mit den Einheimischen zu führen. Der Brutalität des Krieges auf diese Weise zu trotzten, beeindruckt Drake, er nimmt den Auftrag an. Und tatsächlich verfällt er in Birma nicht nur der exotischen Landschaft und den fremden Bräuchen, sondern auch dem charismatischen Arzt Carrol. Selbst als die Arbeiten am Flügel längst vollzogen sind, schafft er es nicht sich von dieser faszinierenden Welt zu lösen – mit fatalen Folgen.  

Meine Meinung

Ich muss gestehen, dass ich anfangs einige Probleme hatte, in die Handlung hineinzukommen, denn „Der Klavierstimmer ihrer Majestät“ spielt im Jahr 1887 – die britischen Kolonien befinden ist auf der Höhe ihrer Macht. Mit Mason Protagonisten Edgar Drake reisen wir von London in die weit entfernte britische Kolonie im Dschungel von Birma. Sein Auftrag: das Stimmen und Reparieren eines Klaviers. Um allerdings die ganzen Hintergründe und die späteren Entwicklungen vor Ort verstehen zu können, benötigen die LeserInnen ein Spektrum an geschichtlichem Vorwissen, was mir persönlich grundlegend gefehlt hat. Ich vermute, dass Daniel Mason seine Leser ähnlich eingeschätzte und deshalb auf Daten und Fakten bezüglich der Kolonien, des Militärs und vor allem verschiedener Militärschläge gesetzt hat. Das hat sich wirklich sehr gezogen – der Weg bis nach Birma (und dem Ort, an dem Edgar endlich den sagenumwobenen Militärarzt Anthony Carrol kennenlernt) nimmt fast 200 Seiten ein. Wer bis dahin allerdings durchgehalten hat, wird mit der folgenden Handlung belohnt. Die Naturbeschreibungen, die Mason immer wieder gekonnt zwischen den Zeilen versteckt – Anthony Carrol macht nicht nur Edgar Drake auf verschiedene Besonderheiten der Natur aufmerksam, sondern auch gleichzeitig die LeserInnen. Dadurch bekommt man immer wieder das Gefühl, als wäre man selbst vor Ort.

Auch die Art, wie Mason die Kolonien bewertet, empfand ich als Leserin sehr faszinierend. Neben negativen Beobachtungen durch britische Soldaten lässt er auch Einheimische zu Wort kommen. Dies wird in dem nachfolgenden Gespräch zwischen Edgar und Khin Myo besonders deutlich:

‚Ich frage mich nur, oder besser, es macht mir Sorgen, wenn jemand mit der Erwartung hierher kommt, dass alles so ist, wie er es sich vorgestellt hat.‘
[…] ‚Wenn die Leute erstmal hier sind, sehen sie ja, dass es nicht so ist‘, sagte er.
‚Oder sie verändern uns einfach, so dass wir ihrem Bild entsprechen.‘

S. 278

Mit dem heutigen geschichtlichen Hintergrundwissen lässt sich dies vermutlich einfacher kommentieren, jedoch sollte man hierbei nicht aus den Augen verlieren, dass Mason nicht nur aus Sicht der Briten schreibt, sondern auch aus Sicht der Betroffen. In einer Nachbemerkung versucht der Autor seine Quellen und seinen Weg hin zur Handlung zu erklären. Darin wird immer wieder deutlich, dass er auf regionale Quellen zurückgegriffen hat. So ist „Der Klavierstimmer ihrer Majestät“ zwar als fiktiv anzusehen, doch die ein oder andere Person weist einen realen Ursprung auf, den Mason in seine Geschichte einfließen ließ.

Der Protagonist – Edgar Drake – muss sich im Laufe der Handlung zunehmen mit der Kolonie und seiner eigenen Meinung dazu auseinandersetzen. Seine anfängliche Skepsis und seine Sorgen weichen vielmehr einer Faszination, die er sich so zunächst wohl nicht hätte vorstellen können. Diese Faszination bleibt jedoch nicht ohne Folgen.

Abgesehen von dem anfänglichen Kampf in die Handlung hineinzukommen, hat mir „Der Klavierstimmer ihrer Majestät“ von Daniel Mason wirklich gut gefallen. Ich mochte die Charakterentwicklungen und die Art, wie Mason die Kulturvielfalt und vor allem das Zerstören dieser, durch die britische Kolonie, in Szene setzt. Aber auch von Anthony Carrol ging eine gewisse Faszination aus. Obwohl er zu keiner Zeit (im ersten Teil des Buches) physisch präsent ist, steht er ständig im Mittelpunkt der Handlung und nimmt eine so große Rolle ein, dass man als LeserIn wissen möchte, was davon wahr ist und welches rein erfunden wurde. Hätte mich die Figur Anthony Carrol nicht so sehr gereizt, hätte ich in den ersten 200 Seiten wohl Schwierigkeiten gehabt durchzuhalten. Im Endeffekt bin ich froh, dass ich weitergelesen habe, denn ansonsten wäre mir eine sehr faszinierende zweite Hälfte des Buches entgangen.

Eure Isa.


*Rezensionsexemplar

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