Belletristik,  Rezension

Der Gesang der Flusskrebse – Delia Owens

„Der Gesang der Flusskrebse“ von Delia Owens ist gefühlt das am Häufigsten besprochene Buch des Herbstprogramms 2019. Zumindest kommt es mir so vor. Ich vermute mal, euch ist es ebenso oft über den Weg gelaufen, aber ich möchte trotzdem noch ein paar Worte dazu niederschreiben, denn ich gehöre zu denen, die zunächst dem Hype sehr skeptisch gegenüberstand und es lange nicht lesen wollte. Das lag zum einen daran, dass ich nicht glauben wollte, dass es wirklich so gut sein soll und andererseits konnte mich der Klappentext so gar nicht überzeugen. Es klang einfach weder vielversprechend noch sonderlich herausfordernd. Manchmal wird man eines Besseren belehrt, denn mittlerweile kann ich Owens Roman zur folgenden Kategorie ordnen: Bücher die einen nicht los lassen.
Rückblickend betrachtet war mir wohl schon länger klar, dass ich „Der Gesang der Flusskrebse“ lesen möchte, denn einige BloggerInnen, deren Buchgeschmack ich nahezu blind vertraue, haben es mir mehrfach persönlich empfohlen. Vom Kauf hat mich eigentlich die ganze Zeit nur der Preis abgeschreckt; mir war das Risiko einfach zu groß, dass es mir nicht gefallen könnte und ich das Geld regelrecht in den Sand setzen würde. Zufälligerweise bin ich über ein Mängelexemplar gestolpert – da musste ich natürlich zugreifen. So viel vorab: Es ist auch den gesamten Preis wert!


Allgemeine Infos zum Buch

Titel: Der Gesang der Flusskrebse
Autorin: Delia Owens
ÜbersetzerIn:  Ulrike Wasel, Klaus Timmermann
Verlag: Hanserblau
Seiten: 464
Preis: Hardcover (22€), E-Book (16,99€)

Zum Inhalt

Chase Andrews stirbt, und die Bewohner der ruhigen Küstenstadt Barkley Cove sind sich einig: Schuld ist das Marschmädchen. Kya Clark lebt isoliert im Marschland mit seinen Salzwiesen und Sandbänken. Sie kennt jeden Stein und Seevogel, jede Muschel und Pflanze. Als zwei junge Männer auf die wilde Schöne aufmerksam werden, öffnet Kya sich einem neuen Leben – mit dramatischen Folgen. Delia Owens erzählt intensiv und atmosphärisch davon, dass wir für immer die Kinder bleiben, die wir einmal waren. Und den Geheimnissen und der Gewalt der Natur nichts entgegensetzen können.


Meine Meinung

„Der Gesang der Flusskrebse“ ist vielmehr als ein Buch über die Natur, die Liebe und das Leben eines Mädchens, das alleine zurechtkommen muss. Es ist vielmehr eine sprachliche Liebeserklärung an all dies: die Natur nimmt in Owens Roman eine zentrale Rolle ein, ohne dabei erdrückend zu wirken. Vielmehr fühlt es sich so an, als dürfe man einen geheimen Raum betreten und ihn mit einem Mikroskop näher untersuchen. Ein schützenswerter Raum, den Menschen sich zu eigenen machen wollen, um ihn langfristig als Nutzfläche nutzen zu können. Eine versteckte Kritik an das Verhalten der Menschheit in Bezug auf Natur und Umwelt.
„Der Gesang der Flusskrebse“ ist allerdings nicht nur eine Liebeserklärung an die Natur, sondern auch an das Leben. Wir sollten das Kind und vor allem die Neugier als Kind, nie verlieren. Dies versucht Owens mit Kya zu verdeutlichen. Kya ist die Protagonistin, die wir über Jahre hinweg begleiten. Die Ungerechtigkeit, die sie erfährt, lässt einen immer wieder fassungslos zurück. Als LeserIn möchte man sie beschützen und in die eigene Obhut nehmen, einfach nur, damit sie sieht, dass nicht alle Menschen sie verurteilen und alleine zurücklassen.
Und obwohl Owens uns eine zu beschützende Figur erschafft, ist Kya keinesfalls verloren – sie findet ihren eigenen Weg in der Gesellschaft Fuß zu fassen. Dabei ist die Marsch, der Ort, an dem sie lebt und über den sie all die Jahre so viel lernt, allgegenwärtig. Dabei wirken die Naturbeschreibungen nicht überproportioniert, sondern geben vielmehr der Handlung die Raffinesse und Vielschichtigkeit, die sie benötigt. Kya und die Natur scheinen eine Art Symbiose einzugehen, die wir während des Lesens näher kennenlernen dürfen. Das alleine wäre schon Grund genug „Der Gesang der Flusskrebse“ zu lesen.

In „Der Gesang der Flusskrebse“ erwartet euch aber auch eine Liebesgeschichte verstrickt mit einer Kriminalgeschichte. Wer jetzt denkt, das wäre schnöde und würde nicht so recht zusammenpassen, den muss ich enttäuschen. Ich kann euch versprechen, dass ihr relativ schnell merken werdet, dass ihr falsch gelegen habt. Durch die unterschiedlichen Erzählerstimmen und die damit verbundenen Zeitsprünge wirkt die Handlung vielschichtig. Owens bietet ihren Lesern die Möglichkeit, die Handlung aus verschiedenen Ebenen zu betrachten und somit zu seiner ganz eigenen Meinung zu gelangen. Dies wird gerade in der Aufdeckung des Mordes sichtbar, denn immer wieder werde Indizien gestreut, die zum Täter führen. Die tatsächliche Aufdeckung des Mörders und die damit einhergehenden Konsequenzen habe ich zwar auf gewisse Weise geahnt – trotzdem fand ich das Ende gelungen inszeniert bzw. erfüllte es eine gewisse vorangegangene Konsequenz, die mit der Liebesgeschichte zusätzlich abgerundet wird.

„Der Gesang der Flusskrebse“ führt mir wieder einmal vor Augen, dass ein Klappentext oft auch einfach nicht aussagekräftig genug ist – ein zweiter Blick lohnt sich oft. Trotzdem bin ich froh darüber, dass ich es mit einem gewissen Abstand zum Hype gelesen habe. So war es für mich leichter, mit einer objektiven Sicht an das Buch heranzugehen.
Also wenn ihr bisher noch skeptisch wart, dann konnte ich euch vielleicht überzeugen. Von mir gibt es auf jeden Fall eine Leseempfehlung und „Der Gesang der Flusskrebse“ scheint ein guter Anwärter für meine Lesehighlights 2020 zu sein – für euch vielleicht auch.

Eure Isa.

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